Freitag, 6. Dezember 2013

Century, Florida.


Nachdem ich Mittwoch so den Wetterfrosch raushängen lassen habe und mit meinen letzten Posts insgesamt nicht wirklich zufrieden war, werde ich jetzt erstmal wieder zu einem etwas ernsteren Thema kommen. Damit kann man nicht ganz so viel falsch machen, denke ich.

Ich hatte euch ja erzählt, dass wir Thanksgiving im Kreise der Familie ein bisschen vorverlegt haben. Den eigentlichen Thanksgiving Day haben wir nämlich in Florida verbracht. Florida klingt für mich immer nach Sandstränden, Miami und Disney World. Vielleicht geht es einigen von euch ja ähnlich wie mir. Ich hab allerdings ein anderes Florida erlebt. Ein weitaus weniger touristenfreundliches Florida, in dem sinnloses Geldausgeben gar kein Thema ist, aus dem einfachen Grund, dass keins da ist. Ich hab nichts gegen sinnloses Geldausgeben, Shoppen und sich mal ganz dem Konsumrausch hinzugeben, versteht mich nicht falsch. Ich mach das ja selbst nur allzu oft. Aber ich fands gut, Thanksgiving ein bisschen ursprünglicher zu verbringen. Ein Thanksgiving, wie die Pilgrims es mit den Indianern gefeiert haben. Das ist schon fast wieder cool oder?

Century, Florida ist eine Stadt mit ungefähr 2000 Einwohnern direkt unter der Grenze zu Alabama. 40% der Menschen in Century leben unter der Armutsgrenze. Beinahe die Hälfte also. Und man muss nicht immer unter den Zahlenwert der Armutsgrenze kommen, um nicht genug zum Leben zu haben. Wer keine Arbeit hat, der wird mit Essensmarken versorgt. Das soll die ganze Familie sattmachen. Während der Ferien allerdings, während die Kinder nicht in der Schule sind, reicht für manche Familien das Essen vorne und hinten nicht. Da wird dann eben mal eine Mahlzeit pro Tag ausgelassen. Und ein Truthahn, wie es ihn traditionell zu Thanksgiving in amerikanischen Haushalten gibt, wird hier bei den meisten garantiert nicht aufgetischt. Stattdessen gibt es Waschbär. Das ist kein Witz. Waschbär ist günstiger als Truthahn, Arme-Leute-Essen sozusagen.

Mit ein paar Leuten aus der Kirche sind für für zwei Nächte in Century geblieben, um den Leuten ein ordentliches Thanksgiving-Dinner zuzubereiten. Eines, von dem sie auch satt werden und ein echt gutes ganz nebenbei. Wir hatten nämlich Unterstützung von einem Sterne-Koch aus Los Angeles, der ist mitsamt Super-Grill auf dem Truck angereist. Geschlafen haben wir in einer High School, die seit dem Ende der Segregation geschlossen ist. Soll also heißen: Nachdem die "seperate but equal"-Ära zuende war, wurde diese ausschließlich für Schwarze bestimmte High School geschlossen und seitdem immer wieder für Mission Trips genutzt.

 Die Armut sieht man Century an und manchen seiner Einwohner auch. Trotzdem können sie noch lachen. Das hat die Kultur der Schwarzen so an sich, sie sind trotz allem noch lebensfroh. Alkohol und Drogen finden großen Anklang, die Häuser sind heruntergekommen und sehen teilweise überhaupt nicht bewohnbar aus. Viele finden im Glauben ihren Halt. Woran auch immer man glaubt, so ein Mission Trip ist auf jeden Fall empfehlenswert. Man erweitert seinen Horizont und sieht Dinge, die man so bisher höchstens aus dem Fernsehen kannte.

"Thanksgiving is not just a Holiday, it's a Lifestyle" - Einmal in Century gewesen, wird man sich plötzlich bewusst, in was für glückliche Verhältnisse man doch hineingeboren wurde. Ich hatte immer genug zu essen (seitdem ich hier bin sogar definitiv zu viel!) und ein Dach über den Kopf. Dass das beides nicht jeder hat, kann inmitten unserer ganzen First-World-Probs manchmal viel zu einfach in Vergessenheit geraten.











1 Kommentar:

  1. Ich habe mir deinen Beitrag über Thanksgiving nun schon zum zweitenmal durchgelesen und ich muss sagen, deine Worte gehen mir unter die Haut. Das regt doch sehr zum Nachdenken an. Vor allem über die lebensbejahende Art der Leute, trotz allem Elend. Stell dir nur diese Situation hier in Deutschland vor, was gäbe es hier für ein Gejammere und Geschrei. Da kann ich doch nur sagen, schaut mal in andere Länder und seid dann ganz still und nachdenklich.

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